+
Jedes Jahr zu Beginn des Frühlings machen sich die Drokpas, die Hirtennomaden Nordtibets, mit ihren Yak-Karawanen auf den langen Weg zu den Salzseen. Dort beladen sie ihre Packtiere mit dem 'Weissen Gold', mit Salz, und führen die Yaks wieder nach Hause. Nur um diese Jahreszeit können sie damit rechnen, dass die Erde sich nicht in Schlamm verwandelt und die Hochebene begehbar sein wird. Doch ob sie wirklich Salz finden werden, ist nicht nur eine Frage klimatischer Faktoren. Der Film begleitet vier Salzmänner mit ihrer Karawane von weit über hundert Yaks. Ihr Wohnsitz befindet sich auf 4500 m Höhe, am Fusse des Nyenchen Tanglha, einem der vier heiligsten Berge Tibets. Nachdem sie den Abreisetag festgelegt und alle notwendigen Vorbereitungen getroffen haben, begeben sie sich auf die Reise, von der sie erst nach drei Monaten zurückkehren. Unterwegs übernimmt jeder von ihnen eine bestimmte Rolle. Einer ist 'die alte Mutter', einer 'der alte Vater', einer 'der Herr der Tiere'. Derjenige, der die Karawane zum ersten Mal begleitet, ist der Bopsa, 'der Neuling'. Durch ein Initiations-Ritual wird er in die Gemeinschaft der Salzmänner aufgenommen und damit zu einem richtigen Mann. Frauen dürfen nicht zum Salzsee. Den Männern ist es unterwegs untersagt, sich mit Frauen einzulassen, sonst wird die Göttin des Salzsees böse. Sie ist eine zornvolle Göttin, und wenn sie eifersüchtig wird, kann sie den Salzabbau vereiteln. Aus diesem Grunde ist es äusserst wichtig, auf dem Weg und noch mehr am Salzsee streng die Regeln zu beachten. Eine davon ist die geheime Salzsprache, die nur unter Salzmännern gesprochen werden darf und die aus erotischen Anspielungen besteht. Wer sie nicht beherrscht, wird nicht ernst genommen. Die Geheimsprache dient auch zur Abgrenzung gegen Eindringlinge jeglicher Art. Doch was tun, wenn auf der Reise durch diese unwirtlichen Gegenden ein Mensch oder ein Tier erkrankt? Was bedeuten hier, in dieser extremen Situation, Verantwortung, Achtsamkeit und Mitgefühl? Antwort darauf geben die Salzmänner mit ihren eigenen Worten. Der monotone, eindringliche Gesang einer berühmten Gesar-Sängerin aus Zentraltibet bildet den dramaturgischen Leitfaden dieser aussergewöhnlichen Wanderung. Ihre Rezitation beschreibt ein mythologisches Weltbild, ist aber auch der Aufruf, für die besondere Lebensart der nordtibetischen Salznomaden zu kämpfen und sie zu verteidigen. Das im Westen fast unbekannte Gesar-Epos ist ein wichtiger Bestandteil der Identität des tibetischen Volkes. Über acht Jahre hat Ulrike Koch an der Realisierung ihres Films gearbeitet. Nach der schwierigen Recherche war es ein Glücksfall, die jetzt im Film porträtierten Salzmänner zu finden sowie ihr Vertrauen zu gewinnen für das Anliegen, gemeinsam mit ihnen ihre bedrohte Tradition zu dokumentieren. Die Durchführung der Dreharbeiten in Tibet war mit ausserordentlichen Schwierigkeiten verbunden. Wie lange die Tradition der Salzmänner sich noch gegen das Vorrücken modernen Lebens und moderner Transportmittel wird behaupten können, wie lange ihre Salzlieder noch erklingen werden, vermag niemand zu sagen.
DE | FR